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Auf der Barfußroute im Pazifik



 
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Gotthard
Matrose


Anmeldungsdatum: 26.03.2008
Beiträge: 28
Wohnort: Österreich

BeitragVerfasst am: 24.07.2010 23:47    Titel: Auf der Barfußroute im Pazifik Antworten mit Zitat

Ich segle auf Schiffen, die nicht mir gehören, wo ich aber willkommen bin - also nicht etwa als blinder Passagier oder Pirat. Meistens Hand gegen Koje. Im Februar habe ich den Panama-Kanal dreimal befahren. Am dritten Schiff eines Paares aus Australien bin ich dann fast 4 Monate geblieben, und bis Tahiti mitgesegelt.


Hier der Bericht vom 4. Tag auf der Barfußroute von Galapagos nach Marquesas Inseln:

Ostermontag, 05. Apri 2010

Sanftes Gleiten im Pazifik

Wir haben heute, nach genau 4 Tagen, 530 Seemeilen hinter uns. Das ist etwa ein Sechstel der gesamten Strecke bis zu den Marchesas Inseln. Das bedeutet noch weitere 20 Tage nur Wasser rundherum. Wir sind jetzt voll in der von Ost nach West mit 1,5 Knoten setzenden Äquatorialströmung des Wassers. Der Wind um Galapagos herum ist traditionell unstetig in Richtung und Stärke gewesen. Nun sind wir im Bereich eines sehr konstant aus Ostsüdost kommenden Passats. Seine Stärke wechselt zwischen 10 und 20 Knoten. Die Onda hat 3 Vorstage. Wir wechseln je nach Windstärke von Genua, auf mittelgroßes oder kleines Vorsegel. Damit machen wir über Grund zwischen 4 und 9 Knoten Fahrt.

Heute 12 Uhr hatten wir die Position 04°52,16'S, 97°21,87'W, Kurs über Grund 245°, 7,5 Knoten Fahrt über Grund bei Wind aus ESE 17 Knoten.

Die Stimmung an Bord ist gut. Stu navigiert nicht nur bestens. Auch als Chief in der Küche ist er Meister.

Ich stehe im WC schon in der Schlussphase und arbeite mit der Hand an der Pumpe. Da geht die Klotür auf. Ich sehe kurz Stu's Hand. "Oh, sorry, Volkmar", sagt er. Schon schließt er die Tür wieder. Er wischt sich den kalten Schweiß aus der Stirn und lächelt. Was war geschehen? Ich hatte gerade Wache. Der "Arbeitsplatz" ist in diesem Fall das Cockpit. Stu saß am Navigationstisch, mit dem Rücken zu meinem WC, als ich mich da hinein begab. Ich hatte nicht bemerkt, dass er nicht bemerkt hat, dass ich, hinter seinem Rücken gewissermaßen, meiner Notdurft Zeit und Raum gebe. Kurz darauf steht er auf und hält er im Cockpit nach mir Ausschau. Weil er mich nicht sieht, fährt es ihm durch die Glieder, ich könnte über Bord gegangen sein. Ich weiß nicht, wo überall er nach mir gesucht hat, bis er im WC fündig geworden ist. Seither zeige ich mich mit Finger, Blick, und Lächeln mein abgeschiedenes Vorhaben an. Ich bekomme ein Lächeln zurück und weiß mich abgemeldet.

Nach Tagen körperlichen Bauchwehs und der offenbar hilfreichen Einnahme von Darmfauna-Tropfen habe ich 6 Stunden guten Schlafes hinter mir. Um 04:50 weckt mich das Handy. Um 05:00 beginnt diesmal meine Wache. Ich löse immer Lynn ab. Nach mir ist Stu dran. So geht das im Radl. Tagsüber sind es 3 x 4 Stunden (Beginn jeweils 08,12, 16 Uhr), nachts 4 x 3 Stunden (Beginn jeweils 20, 23, 02, 05 Uhr), macht zusammen 24 Stunden. Weil es insgesamt 7 Wachen sind, rückt der Wachebeginn eines jeden von uns jeden Tag um einen Termin vor. Der Beginn um 05 Uhr früh ist mir der liebste.

Es ist noch finstere Nacht, heute auch nicht vom Mond erhellt, denn der Himmel ist bedeckt. Es nieselt. Im Halbschlaf sitze ich da auf der höheren luvseitigen Bank. Mit den Füßen stütze ich mich an der Lenkrad-Säule ab. Daran sind auch Autopilot-Eingabegerät und die Anzeige des GPS montiert. Ich habe also schnellen Zugriff für eine nötige Kursänderung.

Der Autopilot ist auf "Windsteuerung" eingestellt. Das bedeutet, dass er versucht, den Winkel zwischen dem scheinbaren Wind und dem der Schiffslängsachse auf einen konstanten Wert zu halten - genau das, was eine (fremdenergielose) Windsteueranlage auch tut. Der Vorteil dabei ist, dass nicht ständig die Segelstellung gewechselt werden muss, wenn der Wind Stärke oder/und Richtung ändert. Oder, falls man einen konstanten Kurs zum Wind fahren will (etwa hart am Wind), man nicht ständig den Kompasskurs dem Wechsel des Windes gemäß zu ändern hat. Die rein mechanische Windsteueranlage verbraucht keinen elektrischen Strom. Das ist ihr großer Vorteil. Und sie hat was Geniales. Doch sie braucht Platz am Heck und kostet Geld. Ich habe Erfahrung mit so einer genialen Windsteueranlage am Atlantik machen dürfen. Sie ist sehr leicht außer Tritt gekommen.

Stu gehört nicht zu jenen Seglern, die am liebsten alles mit der Kraft von Wind und Sonne bewegen. Er verzichtet daher weder auf den elektrischen Autopiloten, noch auf Tiefkühltruhe, Kühlschrank, Wassermacher, ausreichend Licht unter Deck, ausreichend Strom für unsere Computer und Elektrowinschen, eine für die Leinen und eine für den Anker. Ein Windrad läuft den ganzen Tag mit und tags liefern 1 m² Solarzellen alternativen Strom. Wenn die Hauptmaschine nicht gestartet worden ist, muss ein bis zweimal täglich das Stromaggregat angeworfen werden, um die entladenen Batterien wieder aufzufüllen. Sobald der Wind nachlässt und die Segel zu schlagen beginnen, besorgt die Hauptmaschine den Vortrieb des Schiffes.

Zusammen laufen die beiden Maschinen täglich etwa 6 Stunden. Das feine, sanfte Segeln stört das ein wenig, finde ich.


Und nun meine Impressionen als wir etwa die Hälfte zwischen Galapagos und Marquesas Inseln hatten:

Es ist merkwürdig: Alle Segler (jedenfalls die segelnden Segler) erfreuen sich an dem Dahingleiten im Wasser, sie schätzen den Regen, sie genießen den Wind, die Sonne, das Sein in der sehr ursprünglichen Natur und in der Eigenverantwortlichkeit darin. Doch sobald der Wind nachlässt, schauen sie missmutig auf die Windanzeige. Das dauert doch viel zu lange, bei dem bisschen Wind! Und ganz schnell ist auch schon der Motor gestartet.

"Kein Government, keine Vorschriften, keine Unterschriften, keine Formulare! Wir wissen nicht, was in Austria und Australia gerade passiert", lobt und preist Stu unser Sein am Boot. Das ist vor ein paar Tagen gewesen. Eine Stunde später kommt er daher mit der guten Zwischenzeit: "1050 Seemeilen in 7 Tagen. Das ist ein hervorragender Durchschnitt! Wenn wir in diesem Tempo weiter segeln, werden wir nach 20 Tagen French Polynesia erreicht haben", frohlockt er. Nun spiele ich den Traurigen: "Nur 20 Tage segeln? Ich habe mich auf 25 bis 30 Tage gefreut. Nur 20 Tage kein Government, keine Vorschriften, keine Unterschriften, keine Formulare. Nur 20 Tage wissen wir nicht, was in Austria und Australia gerade passiert!" Stu kann herzlich lachen darüber, dass ich ihn ertappt habe.

Stu und Lynn, meine australischen Gastgeber, sitzen im Cockpit. Die Sonne sinkt. Das Licht bekommt die abendliche Schärfe und der Himmel Tiefe. Im Westen sind die Wolken ziemlich dunkel. Wie eine schwarze Wand reichen sie bis an den Horizont herunter. In den anderen Himmelsrichtungen sind die wenigen Wölkchen weiß. Die Sonne verschwindet ganz. Nach einer Stunde haben wir einen schönen Sternenhimmel über uns. Delphine begleiten uns wieder einmal. Lynn und Stu scheinen sich wohl zu fühlen. Dort die Sterne in unglaublicher Entfernung, hier die Erde; alles ist so relativ; die Erde bewegt sich um die Sonne - oder umgekehrt? Die Sonne zieht durch das All, hier am großen Meer unser kleines Schiff. Ich bin in der noch kleineren Küche beschäftigt. "Kennst du Einsteins Formel?" ruft Stu herunter. "Freilich, kenn ich die. "Das ist die Relativitätstheorie", ergänzt Stu. "Es ist alles so relativ", teilt er mir seine eben gehabte Erkenntnis mit. "Ob der Einstein mit seiner Formel genau dieses ausdrücken wollte?" Wir sind uns beide nicht sicher.

Volkmar

Mehr im "Tagebuch" und "Aktuelle Reise" meiner Website www.segelnumdiewelt.at
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martin
Skipper


Anmeldungsdatum: 05.11.2005
Beiträge: 392
Wohnort: Europa

BeitragVerfasst am: 25.09.2010 20:47    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo Volkmar!

Ich lese immer wieder in deinem Tagebuch http://www.oesyc.at/node/438 und kann nur den Hut ziehen. Was du in tust, davon träumen viele nur. Ich hätte nicht den Mumm dazu, muss ich ganz ehrlich zugeben. Ich freue mich über weitere Berichte in deinem Tagebuch und auch, wenn du mal wieder im Charterforum vorbei schaust.

Alles Gute!

LG Martin

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Gotthard
Matrose


Anmeldungsdatum: 26.03.2008
Beiträge: 28
Wohnort: Österreich

BeitragVerfasst am: 26.11.2010 06:23    Titel: Antworten mit Zitat

"Traeume dein Leben - lebe deine Traeume"

kann ich da nur sagen.

Volkmar
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