Bold Deckshand
Anmeldungsdatum: 12.11.2006 Beiträge: 5
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Verfasst am: 15.11.2006 18:55 Titel: Zurück über den Atlantik Frühling 2006 |
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15. April 2006, Ostersamstag, 10 Uhr morgens. Ich stehe am Flughafen in Zürich und warte. Für die letzten Zweifel ist es zu spät, es gibt nun kein Zurück mehr. British Airways wird mich in ca. 8 Stunden über London Gatwick nach Hamilton auf Bermuda fliegen. Meinen Skipper habe ich über das Internet kennengelernt, zwei Wochen bevor seine geplante Abfahrt in der Ostsee war, haben wir uns noch persönlich getroffen. Er wollte mit seiner Reinke über den Atlantik und ich habe mich für eine Etappe beworben. Viel zu früh? Grössenwahn? Vielleicht. Drei Jahre zuvor habe ich in einer – für mich typisch - spontanen Aktion Segelscheine gemacht und ein eigenes Boot gekauft, davor mit Wind und Wasser nichts zu tun gehabt. Egal, mein Skipper hat sich entschieden, mich auf der Rückfahrt mitzunehmen. Und ich habe zugesagt.
Einen zweiten Mitsegler für unserere Etappe lerne ich dann schon im Flugzeug gleich nach London kennen. Wir sind uns auf Anhieb sympathisch, also wird das klappen. Bei etwas durchwachsenen Wetter erreichen wir die Bermudas. Alles very british. Die Beamten von der Einreisebehörde sind über unsere fehlenden Rückflugtickets „not very amused“. Schlussendlich glauben Sie uns aber die Story mit der Rückfahrt auf der Segelyacht. Dann rein ins Taxi und zur Bucht, in der unser schwimmendes Zuhause für die nächsten 4 Wochen ankert.
Nachdem wir den dritten Mitsegeler kennengelernt und unsere Sachen verstaut haben, werden uns die Pläne für die nächsten Tage erklärt. Wir werden zwei Tage Zeit haben, um restliche Lebensmittel zu Bunkern und uns Bermuda ein wenig anzusehen. Die zwei Tage reichen uns auch, von Bermuda sind wir wenig begeistert. Der für das Segeln wichtige Wind nervt bei den Inselausflügen, es ist kühl und sauteuer ist für diesen Ort noch untertrieben.
Die für den Dienstag morgen geplante Abfahrt wird, nachdem wir bereits ausklariert haben, verschoben. Der Sturm ist bereits in der geschützten Ankerbucht so heftig, dass wir ein wenig abwarten, am Nachmittag ist es dann soweit, wir legen ab. Zugegeben, ein wenig misstrauisch bin ich schon, was die nächsten Tage (Wochen?) so bringen werden, war ich doch noch nie länger als ein Wochenende durchgehend auf einem Schiff.
Der Plan für die Wacheinteilung und den Dienst in der Pantry ist aber so gehalten, dass für Langeweile eigentlich keine Zeit ist. Wobei: Die ersten drei Tage wurde ich davon freigestellt, mein Magen musste sich wohl erst an das Schaukeln der Umgebung gewöhnen. Jedenfalls wollte in dieser Zeit keiner von meinem Mitseglern das Essen durch mich zubereitet wissen. Mannomann, geht das jetzt so die nächsten 3 Wochen weiter? Nein, zum Glück nicht. Nach drei Tagen ist die Seekrankheit wie von Zauberhand verschwunden.
Was gibt es zu Erzählen über drei Wochen Atlantik. Wir wählen von Bermuda erst einen eher NNO-Kurs um nicht in die südlich gelegenen Flautenzonen zu gelangen. Von Flaute kann auch gar nicht geredet werden, auf den ersten 400 Seemeilen bläst es wie verrückt, eine Schlechtwetterzone nach der anderen. Und das gleich zum Eingewöhnen. Dann fahren wir fast direkt Richtung Osten, auf die Insel Flores, die westlichste Insel der Azoren, zu. Das Wetter wurde besser, Flaute haben wir nur einmal einen halben Tag lang. Ansonsten fahren wir ständig mit 4 bis 8 Knoten Richtung Osten.
Sonntag, 7. Mai, 7 Uhr. Landfall in Lajes das Flores. Ein nebelverhangener, verschlafener Aussenposten Europas. Egal, jeder freut sich darauf, die Beine wieder einmal vertreten zu können. Zu Mittag gönnen wir uns eine Pizza, gross wie ein Autoreifen, bei Paula. Wer jemals nach Flores kommt und irgendetwas braucht, geht in Paula’s Hafenkneipe. Paula kann alles besorgen.
Dienstag, 9. Mai. Mit dem Frachtschiff fahren wir mit zur kleinen Insel Corvo. Auf Corvo gibt es ein Dorf mit ca. 500 Einwohnern sowie einem erloschenen Vulkan. Zusammen mit Flores bildet die Insel die Gruppe der westlichen Azoren und ist vom Zentrum etwa 100 Seemeilen entfernt. Das ist hier wirklich ein verlassener Zipfel Europas. Aber alles sauber und gepflegt, überhaupt nicht heruntergekommen.
Mittwoch, 10. Mai. Leinen Los, wir segeln wieder. Unser nächstes Ziel ist die Stadt Horta auf der Insel Faihal. Besser bekannt ist den meisten Altantikseglern wohl Peter’s Cafe Sport, das urige Lokal in dem sich alle wiedertreffen oder Post von Ihrer Heimat erhalten, die Peter gerne für sie entgegennimmt. Peter lebt zwar nicht mehr, aber für seinen Sohn ist es ebenfalls eine grosse Ehre wenn er Peter genannt wird.
Die nächsten Tage sind dann geprägt von Inselrundfahrten mit einem Mietwagen und der abendlichen Einkehr im Cafe Sport. Die Zivilisation hat uns also wieder.
SLIDESHOW
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Und schon geht es via Lissabon wieder zurück nach Zürich. Ein Traum, den sich manch einer erst mit seiner Rente erfüllen kann, geht zu Ende. |
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