Gedanken eines Fahrtenseglers
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#1: Gedanken eines Fahrtenseglers Autor: volk(er)Wohnort: Wien BeitragVerfasst am: 24.05.2006 06:40
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Gustav der Segler ist tot.
Der über lange Jahre beliebte Segler aus Tradition ist tot. Viele Yachtleser, die seine Gedanken nachvollzogen und seine Geschichten liebten, werden ihn betrauern. Doch die heutigen Segelyuppies stehen verständnislos an seinem Grab und begreifen nicht, daß sie ihn da hinein gebracht haben.

Tempora mutandur, haben die Römer gesagt und sie hatten recht. Das Bessere ist der Feind des Guten, sage ich, aber Hedonismus, der immer nach einem qualitätslosen "Mehrgenuß" schreit, ist das Ende.
Das gilt auch für die Segelei. Früher einte die Seglerwelt das Streben nach Freiheit in der Natur, nach einer besseren Seemannschaft, nach einem Leben in seglerischer Kameradschaft, das Messen seines Könnens mit der Natur und das Einfügen und Eintauchen in die nautische Welt.
Wir waren alle Seelenverwandte von Gustav.
Doch das änderte sich:
Die Organisationsformen der Vereine änderten sich, die Bürokratie kam über die Freiheit der Meere, die Funktionäre im blauen Blazer entdeckten ihre Pfründe und die Seglerschar wuchs schnell an, denn Segeln galt als "In".
Der Segelgenuß der so zum Segeln ver-/ge-leiteten änderte sich aber auch. Sie wollten etwas unverbindlich und schnell gegen "cash" konsumieren, nicht in die nautische Welt eintauchen und etwas er-Fahren.
Die Plastikyachten wurden in immer größerer Anzahl gebaut, sie wurden sich immer ähnlicher, bis sie sich wie Yoghurtbecher glichen.
Die für das Urlaubssegeln/Fahrtensegeln untauglichen Formen wurden aus der Publicity-trächtigen IOR-Scene übernommen. An Anlegen, gar rückwärts und die Möglichkeit eines tragenden Fenders wurde dabei nicht gedacht.
Achtern mußte Platz sein für Exhibitionismus und Badeplattformen. Am Sonnenstrand in Rimini schert sich ja auch niemand um das Ozonloch. Die Instrumenten beladene Steuersäule und das Deck wurden "richtig" designed, da blieb kein Platz für ordentliche Poller, schon gar nicht mittschiffs.
Die Plicht wurde zum Cockpit, Meetingpoint und Functioncenter. Segel rollen sich wie von Geisterhand ein, wer weiß schon, daß ein geschlitzter Großmast rechnerisch nur ein Viertel der Festigkeit hat?
Die Wanten wurden reduziert und immer weiter nach innen gesetzt. Höhe um jeden Preis. Im mehr, in der Steigerung liegt der Genuß des Hedonisten.
Man kann die Segel stehen lassen bis zum letzten Moment; wenn das Boot auf dem Ohr liegt, dann schnell Ratsch und hinein sind sie (oder auch einmal nicht)! Klar, daß bei dieser Fahrweise ein Wetterbericht vor dem Auslaufen und ein prüfender Blick zum Himmel nicht mehr gefragt sind.
Das er-Fahren der Manövereigenschaften kam natürlich auch aus der Mode. Motion by Joystick, wie am PC - das beherrscht man ja; und das Bugstrahlruder, früher allenfalls bei Fähren bekannt, hat ja auch so einen. Kursdreieck und Seekarte wurden durch eine Handvoll Chips mit "Mäusekinos" ersetzt.
Segelaspiranten, Verbandsfunktionäre und Marketing-"spezialisten" gingen eine Symbiose ein. Per Multiple-choice, wie bei "6 aus 39" werden für viel Geld Freizeit -"kapitäne" produziert, die dann die neuesten Creationen aus Frankreich, Giebelstadt und Freienohl bevölkern.
Leider gibt es immer noch das alte Meer, die alte Natur, das alte Wetter und ein paar (hoffentlich noch nicht groß geschrieben) alte Segler. Die Ersteren teilen an die Ignoranten ab und zu mahnende Hiebe aus, die letzteren stehen nur betrübt am Grabe von Gustav.
© Karl Reichart 1998

Von meinem Freund Karl, der meine SY betreut.
http://www.sy-arion.de/

#2:  Autor: frixos BeitragVerfasst am: 24.05.2006 10:24
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Gott hat das Meer so weit gemacht
drin tat er seine Weisheit kund
auf dass nicht jeder Lumpenhund,
von denen die Erde so reichlich gesegnet,
dem braven Seemann da draußen begegnet.


Zuletzt bearbeitet von frixos am 06.06.2006 16:01, insgesamt einmal bearbeitet

#3:  Autor: volk(er)Wohnort: Wien BeitragVerfasst am: 24.05.2006 10:48
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Zitat:
Gott hat das Meer so weit gemacht
drin tat er seine Weisheit kund
auf dass nicht jeder Lumpenhund,
von denen die Erde so reichlich gesegnet,
dem braven Seemann da draußen begegnet.

Ja FRIXOS wie recht du hast!! Bin schon unterwegs um hinter die Insel zu sehen. In 2 Stunden geht`s los. Insel Messer und Gabel Sonne Prost

Grüße vom
volk(er)

#4: Re: Gedanken eines Fahrtenseglers Autor: fetznfliagaWohnort: Wien BeitragVerfasst am: 28.05.2006 22:44
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Ciao Volker!

Leider muß ich Deine Geschichte bestätigen, die eigentlichen Yachtgebräuche gibt nicht mehr.

Es ist so, wie Du schreibst. Ein Beispiel: Anlegen in Hramina, Murter. Ich lege bei starkem Setenwind an, damit das Schiff nicht versetzt wird, lasse ich den Motor noch mitlaufen und versuche das Schiff gerade zu stellen. Ein 2. Schiff kommt, der Marinero hat mir die Leine noch nicht übergeben, sondern am Steg mit Klampenschlag festgemacht.

Am Nachbarschiff kommt keiner auf die Idee, sich vom Bier kurz zu trennen und mir zu helfen. Aber egal. Dann kommt eine SO 54 DS herein, alle Marineros sind beschäftigt. Ich laufe über den ganzen Steg und helfe dem Skipper bei der luvseitigen Leine. Mein Freund übergibt die Mooring.

Mooring wird von einer Person der SO 54 DS wieder ins Wasser geworfen, weil es der Person graust. Der andere belegt die luvseitige Achterleine nicht. Hängt im Wasser, Gefahr, daß die Leine in die Schraube kommt. Irgendwann ist alles überstanden. Schiff vis-a-vis: 2 Leute im Cockpit schauen nur zu mit einem Ottakringer-Bier in der Hand. Käme überhaupt nicht in Frage, sich vom Bier zu erheben oder es warm werden zu lassen.

Tja, was ich noch sagen wollte. Aufpassen beim Anlegen in Kukljica auf Ugljan. Da sind die Moorings kreuz und quer gespannt und teilweise nur 1m (!!) tief unter Wasser.

Ich glaube, der Segler Gustav würde im Grab noch weinen...

Liebe Grüße,
Michael

#5:  Autor: volk(er)Wohnort: Wien BeitragVerfasst am: 29.05.2006 09:03
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Ja Michael!
Erfahrung und Ausbildung kann man nicht kaufen!
Do. bin ich in Brsanj auf IZ mit Anker und 2 Heckleinen am Steinmolo gelegen. Da kommt eine Charterjacht mit 6 Mann Besatzung herein und will auch so anlegen. Der Mann am Anker schreit zum Rudergänger und der zurück: "Ge`h du an die Maschine-du kennst dich aus". Und der Skipper am Anker Question : "I muß am Anker bleiben".
Dann hat sich noch heraus gestellt, dass sie auf "Brötchennavigation" vertrauen. Da hab ich sie erst einmal längsseits genommen und damit Zeit gegeben die Leinen auszubringen.
Waren ja ganz nett, aber was machen die bei starker Bora und wo haben sie Kartenlesen gelernt?

#6:  Autor: fetznfliagaWohnort: Wien BeitragVerfasst am: 29.05.2006 10:05
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Ciao Volker!

Am ersten Tag habe ich mich ein bißchen über diese "Nicht"-Hilfsbereitschaft unter Yachties geärgert. Nicht, daß mir immer das Anlegemanöver perfekt gelingt, aber ich versuche der Crew zumindest mitzuteilen, was zu tun ist, wie wir das Manöver fahren und wann wir abbrechen. Manchmal muß ich es öfter fahren, besonders, wenn viel Wind ist. Und ich versuche immer zu helfen, also Leinen übernehmen, Mooring übergeben etc.

Römisch-katholisch Festmachen bei viel Wind ist schwierig, da kann ich mir vorstellen, daß viele Probleme haben. Ich hätte da wahrscheinlich auch Probleme.

Das mit der Brötchennavigation verstehe ich nicht ganz. Brötchennavigation?? Haben die keinen Chartplotter oder GPS gehabt? Ich gebe zu, daß ich im Moment auch eher weniger ZiBl3 navigiere und mehr meine Kartenplotter verwende.

Vor 20 Jahren hätte ich das verstanden. Aber heute?

Liebe Grüße,
Michael

#7: Brötchennavigation. Autor: frixos BeitragVerfasst am: 29.05.2006 10:12
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Die sicherste Art de Navigation, Du fährst irgendwohin, schaust daß Du irgendwie an Land kommst, suchst irgendwo einen Bäcker, kaufst irgendeine Backwaren, läßt sie dir einpacken und auf dem Sackerl steht die Adresse.
mit seemännischen Grüßen
Frixos

#8: Re: Brötchennavigation. Autor: fetznfliagaWohnort: Wien BeitragVerfasst am: 29.05.2006 13:10
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Ciao Frixos!

Natürlich kenne ich die Bäckernavigation. Aber heute mit Kartenplotter und GPS geht es doch noch einfacher. Deswegen verstehe ich das nicht. Aber anscheinend schauen manche Passagiere nicht einmal auf den Kartenplotter und brauchen somit immer noch die Bäckernavigation.

Einen Vorteil hast Du mit einem perfekten Bäckernavigator. In der Früh frsches Brot...

Liebe Grüße,
Michael

#9: Ja, Ja, lauter Kapitäne Autor: frixos BeitragVerfasst am: 29.05.2006 13:30
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Lauter Kapitäne



aber keine Matrosen


Zuletzt bearbeitet von frixos am 06.06.2006 17:51, insgesamt 2-mal bearbeitet

#10: Re: Ja, Ja, lauter Kapitäne Autor: fetznfliagaWohnort: Wien BeitragVerfasst am: 29.05.2006 19:19
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Ciao Frixos!

Man muß sich halt die Mannschaftz bewahren. Der Barawitzka hat das ja perfekt gehandhabt. Lobe Deine Mannschaft, dann werden sie auch etwas für dich tun.

Erkenne die Fähigkeiten der Mannschaft und schon kann man delegieren.

Und ein äußerer Feind hält die Mannschaft immer zusammen.
1 Fahrtensegler = 1 Fahrtensegler
2 Fahrtensegler = 1 Regatta
3 Fahrtensegler = Wettkampf auf Leben und Tod

Liebe Grüße,
Michael

#11:  Autor: rollefWohnort: Köln BeitragVerfasst am: 29.05.2006 20:34
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Wenn man Bräuche selber Pflegt bringt man automatisch seiner Umwelt die Sitten bei!!!!
Meine meisten Mitsegler 90% helfen wenn nebenan einer anlegt und bei viel Wind renn ich auch mal. Die 10 % segeln nicht mehr mit mir...

#12:  Autor: fetznfliagaWohnort: Wien BeitragVerfasst am: 30.05.2006 18:18
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Ciao rollef!

Das stimmt. Ich bringe meiner Crew auch die wichtigsten Gebräuche und Verhaltensregeln bei.

Aber bei fremden Crews (sprich beim Nachbarschiff), was machst Du dann? Die kann man nicht Kiel holen. Cool

Liebe Grüße,
Michael

#13:  Autor: rollefWohnort: Köln BeitragVerfasst am: 30.05.2006 19:23
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Also meine Erfahrung ist vielleicht etwas besser mir wurde schon oft Hilfe angeboten und wir nehmen sie dann auch meist an.

Und wenn du andern hilfst dann merken sich das die Leut und andere sehen das usw.
Also immer schön vormachen.

#14:  Autor: fetznfliagaWohnort: Wien BeitragVerfasst am: 31.05.2006 09:23
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Ciao Rollef!

Dein Wort in Gottes Ohr! Ich glaube, das wird schwierig sein, die Gebräuche und die generelle Hilfsbereitschaft den Leuten nahe zu bringen, weil viele nur 1x oder 2x Segeln und da eher auf Luxusurlaub eingestellt sind.

Aber zurück zum Ausgangsposting von Volker. Es stimmt, daß die Mentalität im Segeln sich stark geändert hat. Von den Pionieren, die Segeln als Lebenseinstellung und individuelle Freiheit angesehen haben (aber gleichzeitig die Yachtgebräuche respektierten und sich gegenseitig Hilfe zukommen hjaben lassen) zu den heutigen Seglern (mich eingeschlossen), die noch ein bißchen Freiheit genießen möchten und sogar bis zu den reinen Urlaubs-"Mitfahrern" auf Booten.

Und genau hier, denke ich, sollte jeder Skipper ansetzen. Man sollte allen Mitseglern doch erklären, wie ein Boot funktioniert, welche Regeln es gibt, wo die Schwierigkeiten liegen.

Liebe Grüße,
Michael

#15: CHARITY AWARD Autor: frixos BeitragVerfasst am: 31.05.2006 11:21
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Der AWARD für Hilfsbereitschaft auf den 7 Meeren geht 2006 nach Köln und Wien
Sensationell



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